Josef Masopust 9. Februar 1931 Geburtsort: Strimice, Tschechoslowakei
Als Josef Masopust im Mai 1962 in einem chilenischen Hotel eincheckte, wurden sowohl sein Vor- als auch sein Nachname falsch geschrieben. Aber wenn der tschechoslowakische Mittelfeldspieler auch mit einer falschen Identität bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft ankam, so wussten doch alle, wer er war, als er mit dem Rest seiner Nationalmannschaft den Rückflug nach Prag antrat.
Denn zu diesem Zeitpunkt hatte sich Masopust bereits von einem nationalen Bösewicht - wegen seiner erzwungenen Präsenz in einer vom kommunistischen Regime ins Leben gerufenen Armeemannschaft - zu einer Ikone seines Landes gewandelt. Schließlich hatte er das Außenseiterteam von Nationaltrainer Rudolf Vytlacil ins Finale des Wettbewerbs katapultiert und für eine weitere Riesenüberraschung gesorgt, als er seine Mannschaft gegen die scheinbar übermächtigen Brasilianer in Führung brachte.
Tore von Amarildo, Zito und Vava sorgten dann allerdings dafür, dass der Tschechoslowakei im letzten Kapitel ihrer märchenhaften WM-Geschichte das "Happy End" verwehrt blieb. Allerdings hatte der Ritter genug erreicht, um Joseph Masapost in Vergessenheit geraten zu lassen. Josef Masopust war hingegen ein Name, über den Ferenc Puskas, Djalma Santos und Pelé begeistert sprechen würden. Außerdem wurde der Tschechoslowake zu Europas Fussballer des Jahres gewählt und setzte sich bei der Wahl gegen den großen Eusebio durch.
1962 war allerdings nur das "Wunderjahr" in seiner herausragenden Karriere. Josef Masopust wurde 1931 als ältestes von sechs Kindern in Strimice, einem Dorf nahe der westdeutschen Grenze geboren. Die Familie lebte in bescheidenen Verhältnissen. Masopust entwickelte schon als Kind eine Vorliebe für den Fussball. Damals kickte er den Ball in seinem Heimatdorf vor der Bilderbuchkulisse zweier Bergketten. Zunächst einmal träumte er davon, in die Fußstapfen von Josef Bican zu treten, dem berühmten tschechischen Torjäger der damaligen Zeit, für den auch sein Vater, ein Bergmann, sich begeisterte. Aber dann annektierte Hitler 1938 das Sudetenland, und sein Vorhaben schien unter einem schlechten Stern zu stehen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bot sich dann aber doch noch die Gelegenheit, seinen Plan weiter zu verfolgen. Zu diesem Zwecke heuerte er 1945 in der Nachwuchsabteilung des örtlichen Klubs Uhlomost Most (heute Banik Most) an. Masopust war nicht nur ein unermüdlicher Kämpfer, sondern verfügte zudem über viel Spielübersicht, profilierte sich beim Tackling und war außerdem ein wahres Genie am Ball. Er verstand sich hervorragend darauf, Gegnern geschickt auszuweichen und überzeugte zudem noch mit präzisen Hereingaben. All diese Fähigkeiten bewogen einen seiner Trainer dazu, ihn Teplice zu empfehlen, einem Klub, der gerade in die erste tschechoslowakische Liga aufgestiegen war. Teplice schickte auch sogleich einen Talentsichter los, der den damals 18-Jährigen unter die Lupe nehmen sollte. Masopust wünschte sich ein Probetraining und bekam noch etwas Besseres: einen Vertrag.
Lange sollte er jedoch nicht bei Teplice spielen. ATK Prag (ab 1956 Dukla Prag), ein vom kommunistischen Regime ins Leben gerufener Armeeverein, wollte den Nachwuchsstar des tschechoslowakischen Fussballs in seinen Reihen haben. Und was dieser Klub wollte, bekam er auch. Eigentlich mussten die Vereine sich damals aus den unteren Ligen den Weg nach oben in die erste Liga erkämpfen, aber ATK wurde direkt nach der Gründung im Jahre 1948 in die Eliteliga eingegliedert. Außerdem pickten sich die Verantwortlichen des Klubs die Soldaten heraus, die sie haben wollten, und sämtliche Gegner wurden instruiert, ihre Stars auf Verlangen von ATK freizugeben.
Das sorgte in der tschechoslowakischen Fussballgemeinde für Entrüstung. So war es ganz natürlich, dass die Fans von Sparta und Slavia Prag, den Klubs mit den größten Fangemeinden, ATK verachteten. Folglich wurde Masopust so etwas wie ein Volksfeind. Außer natürlich für die Fans von ATK. Mit Masopust, dem es nicht gestattet war, im Ausland zu spielen, bis er als 37-Jähriger schließlich zum belgischen Klub Crossing ging, holte sich der Armeeklub von 1953 bis 1966 acht tschechoslowakische Meistertitel. Bei Crossing bildete Masopust im Übrigen ein unvergleichliches Mittelfeldduo mit Svatopluk Pluskal.
Dukla feierte auch auf internationaler Ebene einige Erfolge. In der International Soccer League setzte sich der Klub 1961 auf dem Weg ins Finale gegen Roter Stern Belgrad, Rapid Wien, Monaco und Espanyol Barcelona durch. Im Finale selbst besiegte man dann den FC Everton nach Hin- und Rückspiel mit 9:2 und qualifizierte sich damit für den American Challenge Cup des nächsten Jahres. Diesen holte sich der Klub drei Jahre in Folge. Außerdem stellte Masopust 1959 in einem Freundschaftsspiel Pelé in den Schatten, als Dukla sich mit 4:3 gegen den FC Santos durchsetzte. Er brachte die Südamerikaner mit seinen Slalom-Dribblings schier zur Verzweiflung und erzielte in Mexiko zwei Tore.
"Wer auch immer der Gegner war, er war immer herausragend", so Pluskal. "Er gab den Ball nie auf, spielte Kurz- oder Doppelpässe, bis sich irgendwo eine Lücke auftat, und dann startete er durch... er strich an einem, zwei, drei Gegenspielern vorbei, die er stehen ließ, als handele es sich um Fähnchen auf einem Trainingsplatz. Er war einfach ein unglaublicher Spieler."
Aber obwohl Masopust durch Duklas Erfolg in seinem Heimatland zu einer berühmten Persönlichkeit avancierte, war er anderswo kaum bekannt. Das sollte sich in Chile ändern. 1958 in Schweden war die Tschechoslowakei noch an der ersten Hürde gescheitert, und dieses Mal stand dem Team eine noch härtere Prüfung bevor: Der amtierende Weltmeister konnte mit Stars wie Garrincha und Pelé aufwarten, und die Spanier, die vom Taktikfuchs Helenio Herrera trainiert wurden, hatten Jose Santamaria, Francisco Gento, Luis Suarez und Ferenc Puskas in ihren Reihen.
"Man sagte uns, wir sollten unsere Koffer am besten gar nicht erst auspacken, weil wir ohnehin nach der ersten Runde nach Hause fahren würden", meint Masopust rückblickend. Seinen Koffer packte er tatsächlich nicht aus, aber dafür knackte er im Auftaktspiel die spanische Abwehr. Und nach einer von Masopusts perfekten Hereingaben erzielte Josef Stibranyi schließlich den einzigen Treffer der Partie.
"Es hat mich überrascht, wie komplett er war", räumt Puskas ein. "Luis [Del Sol] war einer der besten Mittelfeldspieler, wenn es darum ging, Angriffe zu unterbinden; Suarez lieferte geniale Hereingaben und Zuspiele und Paco [Gento] konnte die Verteidiger ausspielen wie kaum ein anderer. Aber Masopust konnte das alles: den Ball erobern, passen, dribbeln und in den Strafraum eindringen. Er war ein überragender Spieler."
Masopust hielt den legendären Didi in Schach, als der Tschechoslowakei vor den Augen der staunenden Fussballwelt ein torloses Unentschieden gegen Brasilien gelang. In dieser Partie zeigte er seine ganze Klasse - sowohl in spielerischer als auch in persönlicher Hinsicht. Pelé verletzte sich, aber da es zur damaligen Zeit keine Auswechslungen gab, war er dazu verdammt, hilflos über das Spielfeld zu humpeln. Wenn der Brasilianer mit der Trikotnummer zehn angespielt wurde, hätte Masopust sich den Ball problemlos aneignen können, da Pelé sich kaum bewegen konnte. Masopust verhielt sich in dieser Situation jedoch äußerst selbstlos und weigerte sich, seinen Gegenspieler anzugreifen.
"Das war eine Geste, die ich nie vergessen werde", erklärt Pelé später. Djalma Santos dazu: "Es war bewegend zu sehen, wie respektvoll er sich in dieser Situation verhalten hat. Er hat damit nicht nur Respekt für Pelé gezeigt, sondern für die gesamte Seleção. Er war ein hervorragender Spieler und darüber hinaus auch noch ein Gentleman."
Trotz einer 1:3-Niederlage gegen Mexiko im letzten Spiel der Gruppe 3 zog das Team in die K.o.-Runde ein. Dort erwies sich Masopust beim 3:1-Sieg gegen den amtierenden Vize-Europameister Jugoslawien als zündender Funke. Als nächstes musste sich Ungarn den übermächtigen Tschechoslowaken geschlagen geben, anschließend lauerte Brasilien im Finale. Zwar brachte Masopust "David" zunächst in Führung, die Antwort "Goliaths" ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Am Ende setzte sich Brasilien mit 3:1 durch.
"Masopust war einer der besten Spieler, die ich je gesehen habe", erklärt Pelé später. "Aber es kann nicht sein, dass er in Europa geboren wurde. Mit diesen explosiven Dribblings musste er doch Brasilianer sein!"
In Bezug auf das Finale in Santiago fügt O Rei hinzu: "Brasilien war an diesem Tag die bessere Mannschaft, aber Masopust hatte es sicher nicht verdient, auf der Verliererseite zu stehen." Auch was die individuellen Auszeichnungen angeht, musste sich der Ritter mit Silber zufriedengeben. Als bester Spieler des Turniers wurde am Ende Garrincha ausgezeichnet.
Allerdings sollte er später doch noch mit einer goldenen Trophäe belohnt werden. Der Ballon d'Or war die Anerkennung für seine phänomenalen Leistungen im Jahr 1962 und mit der UEFA-Auszeichnung zum Golden Player wurde er zum besten tschechischen Spieler des 20. Jahrhunderts gewählt. Als diese prestigeträchtigen Auszeichnungen vergeben wurden, brauchten die Graveure nicht mehr zu fragen, wie Josef Masopust geschrieben wird.